Aus der Praxis – Jola’s Alltagsgeschichten
Waltraud singt!
Es ist schon erstaunlich, wie manche unserer Bewohner wieder sprichwörtlich „auf die Beine „ kommen. Es macht uns immer wieder glücklich, wenn wir sehen, wie sich unsere Bemühungen auszahlen und den Erkrankten ein besseres Leben bescheren.
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Auch für die Familie ist es immer schön, wenn sie ihren Angehörigen wieder fröhlich und unbeschwert erleben.
Bei unserer Waltraud, die mit 81 wieder das Essen lernte, war die Entwicklung besonders erfreulich. Sie tat nach einiger Zeit der Zusammenarbeit Dinge, die selbst wir nicht erwartet hätten.
Neue Lebenskraft durch Aktivitäten!
Nachdem sie also anfangs weder gehen noch essen konnte und wir sie wieder dahin gebracht hatten, dass sie wieder am Leben teilnehmen und zumindest mit Anreichung wieder feste Nahrung zu sich nehmen konnte, kam es zum nächsten Schritt ihrer unglaublichen Entwicklung.
Wir bieten unseren Bewohnern eine Reihe von Freizeitaktivitäten. Darunter Dinge wie Sitzgymnastik, Gedächtnistraining, Spielerunden und eben auch gemeinsames Singen mit Demenz.
Dazu laden wir unsere Bewohner ein, in einem gemütlichen Raum im Kreis zusammenzusitzen und Lieder zu singen. In aller Regel sind dies alte bekannte Volkslieder oder Schlager.
Dabei sein ist alles!
Waltraud nahm gerne an diesen Veranstaltungen teil. Sie machte zwar nicht mit, aber sie saß gerne dabei und schaute zufrieden und interessiert zu. Ein Wort kam ihr dabei aber nicht über die Lippen.
Das ist nicht untypisch. Viele Bewohner sind einfach nicht mehr in der Lage, dem Rhythmus und den Texten zu folgen. Einige haben auch Scham und mögen kein lautes Singen. Dennoch ist die Teilnahme auch für sie eine willkommene Abwechslung für den Tag.
Wir von der sozialen Betreuung schauen, wem welche Lieder und Melodien besonders gefallen und versuchen dann auch die Bewohner zum Mitmachen zu animieren. Selbstverständlich gibt es aber kleinen Zwang, jeder kann selber entscheiden, ob er mitmachen will oder nicht.
Denk' an die individuellen Vorlieben!
Bei Waltraud hatte ich nun das Gefühl, dass sie bei einem Lied noch aufmerksamer zuhörte als bei den andern.
Eines Tages, die Gruppe hatte sich gerade aufgelöst, weil es zum Essen ging, saß nur noch Waltraud in ihrem Rollstuhl im Raum.
Gerade wollte ich alles zusammenpacken, da kam mir in den Kopf, dass sie beim Lied „Die Gedanken sind frei“ immer besonders aufmerksam zuhörte.
Also setzte ich mich zu ihr und sprach sie an.
„Sie mögen doch das Lied „Die Gedanken sind frei“ sehr gerne, oder?“ fragte ich. Ein Lächeln und ein bestimmtes „Ja“ bestätigten meine Annahme.
Also fing ich zu singen an. Nach wenigen Augenblicken begann auch Waltraud textsicher mitzusingen! Das hatte sie noch nie gemacht! Und so sangen wir beide die erste Strophe bis zum Ende und strahlten uns dabei an. Wie schön sie singen zu sehen!
Auch Waltraud war ergriffen. Tränen kullerten ihr über das Gesicht. Tränen der Freude!
Unendliche Freude kommt auf!
Wir saßen noch einige Minuten gemeinsam im Raum bevor ich sie dann zum Essen brachte.
Auch bei den folgenden Gesangsrunden war Waltraud natürlich gern dabei. Sie sang zwar nicht immer mit, aber hin und wieder bemerkte ich, wie sie doch ganz leise einige Texte mitsang.
Sie war also angekommen in der Gesangsrunde, das war das Entscheidende. Waltraud war in einem stabilen Allgemeinzustand.
Dies ist wieder ein typischen Beispiel, wie sich ein an Demenz Erkrankter kurzzeitig wieder an Dinge der Vergangenheit erinnern kann. Dies sind tatsächlich nur Momentaufnahmen und man sollte niemals daraus schließen, dass sich der Gesamtzustand dauerhaft verbessern könnte.
Dennoch erleichtern und verschönern diese Momente das Leben aller Beteiligten.
Mehr zum Thema, wie Musik das Beisammensein verschönern kann, findest du im Artikel "Demenz und Musik"