April 1, 2021

Aus der Praxis – Jola’s Alltagserfahrungen


Und täglich grüßt…


In unser unserem Alltag in der Residenz passieren jeden Tag neue, manchmal unglaubliche Dinge. Es gibt keinen Tag wie den anderen, immer wieder dürfen wir uns auf Unerwartetes einstellen.


Mit Gelassenheit reagieren - auch wenn's schwer fällt!


Wir haben dafür eine gewisse berufliche Gelassenheit entwickelt und können so auf jede noch so überraschend Situation angemessen reagieren.


Das unterscheidet natürlich eine professionelle Betreuung von der Pflege zuhause. Was einen dort evt. verrückt macht bzw. zum Wahnsinn treibt, ist für uns tägliche Übung.


Das Schöne dabei ist, dass wir aufgrund der täglichen Übung in der Lage sind, das „Drama“ zu reduzieren und die ganze Sache mit einer Brise Humor zu betrachten. Denn das ist tatsächlich machbar, bei aller Empathie und emotionaler Verbundenheit mit den Bewohnern.


Besondere Situationen, die uns immer wieder zum schmunzeln bringen, ergeben sich derzeit mit zwei Herren, die nun schon seit über einem halben Jahr bei uns sind.


Auch in Heimen kann man Freundschaften schließen!


Gerd, 82, Witwer und Hans, 84, ebenfalls Witwer haben sich schnell angefreundet. Beide wohlsituiert und mit sehr gutem, höflichen Benehmen. Echte Gentlemen!


Man trifft sich beim Essen, wandert gerne gemeinsam durch den Garten und sitzt vor gemeinsam im Fernsehraum. Und natürlich gibt es auch viel Gesprächsstoff. Manchmal sogar sehr viel….


Gerade neulich begab es sich, dass die beiden wieder unterwegs waren.
Plötzlich fiel es Gerd ein: „ Ich glaube, meine Tochter hat den Autoschlüssel für mich beim Empfang abgegeben.“ Darauf Hans: „Dann müssen wir wohl dort hingehen!“


Gesagt getan. Beide steigen in den Fahrstuhl und begeben sich ins Erdgeschoss zum Empfang.


Auf die Anfrage nach dem Autoschlüssel, bekommen die beiden ganz freundlich und routiniert die Information, dass dort nichts abgegeben wurde. Die Damen beim Empfang kennen natürlich solche Anfragen und wissen, dass nichts dahinter steckt. Dennoch behandeln sie jede Abfrage respektvoll und geben dem Fragenden ernstgenommen zu werden.


Gerd und Hans nehmen die Info zur Kenntnis und fahren zufrieden mit dem Fahrstuhl wieder in die obere Etage.


Dort angekommen, steigen sie aus und bleiben einen Augenblick stehen. „Nun werden sie bestimmt zum Essen gehen“ denke, denn es war ja schon die Zeit dafür. Aber ein kurzes Gespräch konnte ich noch hören: „Ich glaube, meine Tochter hat den Autoschlüssel für mich beim Empfang abgegeben.“ Darauf Hans etwas unsicher: „Waren wir da nicht gerade?“ Klare Antwort von Gerd: „ Nein!“
„Na gut, dann müssen wir da jetzt hin!“


Gesagt getan, beide steigen wieder in den Fahrstuhl und sausen zum Empfang.
Das Ergebnis war natürlich das gleiche. Auch diesmal werden sie sehr freundlich darauf aufmerksam gemacht, dass hier kein Schlüssel läge. Kein Problem, beide steigen wieder in den Fahrstuhl.


Ich war gerade in einem anderen Zimmer, so dass ich das weitere Geschehen der nächsten Minuten nur vom Empfang gehört habe. Sie riefen mich an, nachdem sie von Hans und Gerd acht Mal aufgesucht und befragt worden waren! Jedes Mal die exakt gleichen Worte, jedes Mal die exakt gleiche Reaktion. Und das alles völlig friedlich und unaufgeregt.


Freundliche Ablenkung hilft!


Aber natürlich musste das mal ein Ende haben und außerdem war ja Essenszeit. Also schnappte ich mir die beiden und führte sie in unseren Speiseraum. Sobald das Essen auf dem Tisch stand, war der Schlüssel sofort vergessen und kein Thema mehr.


Zum Glück gab es direkt nach dem Essen weiteren Gesprächsstoff!


„Ich gehe jetzt in mein Zimmer, meine Frau wartet dort auf mich!“, so Gerd. „Deine Frau ist doch gar nicht da“, antwortet Hans. Klare Antwort: „Doch! Ich gehe da jetzt hin!“. Hans ist verunsichert “OK, dann komme ich mit, aber dann gehe ich in mein Zimmer, vielleicht ist meine Frau ja auch da!“


Und wieder marschieren die beiden zusammen in Richtung Gerd‘s Zimmer.
„Oh, sie ist doch nicht hier“ sagt Gerd, „vielleicht sind sie ja bei dir!“


Und so kommt es wie es kommen muss. Mehrmals werden die Zimmer gewechselt und jedes Mal mit Erstaunen festgestellt, dass die Damen wohl nicht da sind. Einige Male habe wir die beiden gewähren lassen.


Wichtig: Akzeptiere die "eigene Welt" der Erkrankten!


In solchen Fällen ist es wichtig, nicht zu schnell dazwischen zu gehen. Es gibt Fälle, bei denen die Erkrankten dann sehr traurig oder manchmal auch aggressiv werden. Denn in ihrer eigenen Welt ist alles OK so wie es ist. Man sollte sie nicht stören. In diesem Moment war genau das das richtige und wichtige für die beiden.


Wenn man denkt, eine Unterbrechung des Tuns sei wichtig, sollte man zumindest eine Alternative bieten. Genau das haben wir dann getan. Wissend, dass beide gerne die Nachrichten schauen, gaben wir den Hinweis, dass es nun soweit sei.
Das hielten die beiden für eine gute Idee du so führten wir sie zum Fernsehraum, wo sie gemütlich den Nachmittag verbringen konnten.

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