April 1, 2021
Man glaubt es kaum, es macht einen wütend! Man macht und tut und als Dank wird man beschimpft.
Wie ist das nur möglich, womit hab‘ ich das verdient?
Wie kommt es nur zu dieser aggressiven Phase eines eben noch so liebevollen Menschen?!
So oder so ähnlich geht es vielen, die mit Demenzkranken zu tun haben.
Demenz und aggressives Verhalten - leider typisch!
Man arbeitet so viel, versucht alles richtig zu machen und hat genug mit sich selbst und der eigenen Familie zu tun. Da wünscht man sich doch weniger Beschuldigungen und etwas mehr Dankbarkeit!
Leider musst du dich von diesem Wunsch verabschieden.
Aber genauso davon, dass die Person, die du so aufopferungsvoll pflegst, ihr Verhalten immer bewusst steuert. In aller Regel haben es die Personen nicht darauf angelegt, anderen das Leben zu erschweren und zu provozieren.
Sollte so ein dissoziales Verhalten diagnostiziert werden, solltest du dich um eine darauf spezialisierte Unterbringung kümmern. Es gibt Pflegeheime für aggressive Demenzkranke. Nein, hier geht es mehr um psychosoziale Faktoren.
Der Erkrankte schämt sich und hat....ANGST!
Die Krankheit macht etwas mit den Menschen und das ist diesen auch – besonders in der Anfangsphase – sehr bewusst. Angst ist dabei die herausragende Reaktion.
Stell‘ dir vor, du merkst, wie dein Kopf immer weniger funktioniert. Du merkst, dass du schleichend immer mehr vergisst. Beängstigend!
Dazu der Druck von außen. Plötzlich weiß jeder alles besser, drängt dich zu Entscheidungen. Ein schlechtes Gewissen kommt hinzu, denn du merkst, dass du dem normalen Alltag nicht mehr gewachsen bist.
Natürlich kommen dazu Vorurteile und negative Erwartungshaltungen, denn wer jubelt schon, wenn er weiß, dass ein Heim vielleicht die beste Lösung ist. Merkst du schon bei der bloßen Vorstellung dessen, was im Kopf des Erkrankten vorgehen muss, wie du in eine wütende Abwehrhaltung gerätst?!
Man kann sich kaum wehren! Aggression und Boshaftigkeit bei Demenz sind also eine Folge dieser persönlichen Veränderungen.
Demenz und Boshaftigkeit sind - so traurig es ist - die typische Begleiterscheinungen der Krankheit.
Die erste Erkenntnis ist also, dass es die plötzlich so aggressive Person nicht persönlich meint. Das ist wichtig zu erkennen, denn nur so kannst du lernen, wie du ein Schutzschild aufbauen kannst. Wie genau, das zeigen wir die an anderer Stelle.
Doch wie kannst du kurzfristige Hilfe schaffen? Welche Möglichkeiten hast du, auf diese Provokationen zu reagieren?
Jeder hat eine persönliche Geschichte!
Zunächst sollte man sich grundsätzlich bewusst machen, was die Gründe für dieses Verhalten sein könnten. Halte dir also vor Augen, welche Geschichte steckt hinter der Demenzkranken Person, welche Biographie hat sie.
Sicherlich kennst du den Kranken sehr genau, schließlich hast du ja sehr viel Zeit mit ihm verbracht. Und dennoch ist es manchmal so, dass viele Umstände und Gegebenheiten des Dementen verdrängt oder anders bewertet wurden oder auch schlicht unbekannt sind.
Es ist also etwas „Forschungsarbeit“ und Analyse angebracht. Was sind also die Kernpunkte, die das Leben des Erkrankten bestimmt haben. Diese sind übrigens auch für etwaiges pflegendes Personal wichtig!
Je mehr sie über den Patienten erfahren, desto besser können sie sich auf ihn einstellen! Nimm dir Zeit für diese Analyse, denn „Wissen ist Macht“ was hier zu Deeskalation und somit zu einem für alle Seiten befriedigendem Ergebnis führen kann.
Versuche dich in den Erkrankten hineinzuversetzen!
Der Schlüssel für deeskalierende Maßnahmen liegt ganz eindeutig in deinem Empathievermögen. Empathie beschreibt die Fähigkeit und Bereitschaft, die Empfindungen, Gedanken, Emotionen, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen und zu verstehen.
Um das grundsätzlich zu können, solltest du in der Lage sein, selbstkritisch dich selbst und dein Verhalten zu hinterfragen. Denn aufgrund einer angemessener Reaktion auf die Gefühle und Emotionen des Demenzkranken ergibt sich schließlich deine Art des Mitgefühls und damit der Hilfsbereitschaft.
Es hilft letztendlich niemanden, auf aggressives Verhalten bei Demenz mit „Gegenaggression“ zu reagieren, das führt mit ziemlicher Sicherheit zu einem handfesten Streit. Aggressives Verhalten bei Demenz musst du also genauso wie die sich verstärkende Vergesslichkeit einfach als Folge der Krankheit akzeptieren!
Willst du wirklich streiten?
Es kommt also darauf an, die Perspektive des zu Pflegenden einzunehmen, die Welt aus seinen Augen zu betrachten. Dazu ist es manchmal auch nötig, eigene Werte oder Sichtweisen für den Moment zu vergessen. Der eigene Affektzustand sollte möglichst dicht am dem des Erkrankten sein.
Was kannst du also tun, wenn Wutausbrüche bei Demenzkranken vorkommen, wenn Situationen mit aggressivem, distanzlosem oder forderndem Verhalten zur Belastung werden?
Zuallererst: Ruhig bleiben!
Idealerweise hast du dich mit dieser Situation schon beschäftigt, weil sie immer wieder vorkommt. Das heißt, du kannst dich vorbereiten und „tappst“ nicht wieder in die gleiche Falle. Tadeln, laut werden, belehren hilft gar nichts. Dies führt in aller Regel nur zu weiterer Eskalation.
Also besser reflektieren: was bewegt den Menschen gerade, welche Ursachen liegen dahinter? Und dann auf das „Problem“ eingehen. Einfach fragen.
Vielleicht gibt es sogar Lösungsansätze, die den Erkrankten zufriedenstellen. Zumindest für den Zeitpunkt.
Du musst damit rechnen, dass du immer wieder die gleichen Dinge zu hören bekommst, und du kannst auch immer wieder in der gleichen Art antworten.
Aber bitte ohne den Vorwurf, dass die Sache ja bereits gestern besprochen wurde! Das führt wieder zu Unsicherheit beim Erkrankten, der sich evt. durch noch aggressiveres Verhalten dagegen wehren wird.
Bei Gewalt hört die Freundschaft auf!
Manchmal ist es jedoch auch so, dass die erkrankte Person handgreiflich wird oder nicht aufhören will.
Hier solltest du dann klare Grenzen setzen und kommunizieren: Bis hierhin und nicht weiter! Dabei immer den Respekt und die Wertschätzung im Auge behalten!
Mit handgreiflichem Verhalten ist jedoch eine Gesprächsgrundlage erst einmal zerstört. Mit ruhiger Stimme solltest du darauf hinweisen und das Gespräch beenden bzw. den Raum verlassen.
Ja, das ist nicht einfach und erfordert Training. Aber es ist möglich, in diesem Fall ganz emotionsfrei zu agieren. Damit wird die Situation entschärft, der Erkrankte bemerkt zumindest für den Moment sein falsches Verhalten und du stärkst dich und deine Position!